Rückblick auf das 1. Halbjahr 2025
Krisenfest: Wie der Markt viele negative Narrative überwindet
Viele Aktienindizes notieren auf oder in der Nähe neuer Allzeithochs. Diese Leistung erscheint bemerkenswert angesichts einer Flut negativer Schlagzeilen, geopolitischer Risiken und einer US-Notenbank, die den Leitzins auf einem restriktiv hohen Niveau belassen hat. Die jüngste Flut negativer Narrative rund um Trump im Allgemeinen, Zölle, Defizite, Schulden, Inflation bis hin zu Kriegen hat zwar erhebliche Schwankungen verursacht, aber den Markt nicht in die Knie gezwungen. Am Ende eines streckenweise beunruhigenden Halbjahres stehen erfreuliche Entwicklungen in den Anlageklassen – bis auf den US-Dollar, der kontinuierlich an Wert verlor.
Als US-Präsident Donald Trump Anfang April im Rahmen des „Liberation Day“ seine reziproken US-Zölle vorstellte, krachte es an den Kapitalmärkten wie seit dem Corona-Crash im März 2020 nicht mehr (vgl. letzter Quartalsbericht). Wirtschaftsexperten und Politiker reagierten auf das Zollvorhaben mit Fassungslosigkeit. Das bekannte Wirtschaftsmagazin „The Economist“ sprach gar vom „Ruination Day“ der Weltwirtschaft. Einen weiteren Schockmoment für die Welt stellte der „12-Tage-Krieg“ zwischen Israel und dem Iran im Streit um die Atomanreicherung der Islamischen Republik dar. Die Vereinigten Staaten wirkten mit bunkerbrechenden Waffen zur Unterstützung Israels mit und riefen anschließend zur Waffenruhe auf – letzteres gelang in der Ukraine jedoch nicht, die Bemühungen wurden aufgegeben. Was für Investoren am wichtigsten ist: der Markt hat die Ereignisse und noch dunklere Mediennarrative stets gut absorbiert.
Entwicklungen im Kalenderjahr 2025 im Überblick

Quelle: FactSet, Angaben bei Aktienindizes als Gesamtertrag inkl. Dividenden.
Daten per 30.06.2025 in lokaler Währung, sofern nicht anders angegeben.
Hinweis: Vergangene Wertentwicklungen sind kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung.
Aktien
TACO: Ein ängstliches Huhn katapultiert den Markt nach oben?
Im Zuge des Zollschocks stürzten viele Aktienindizes in den ersten Apriltagen in einen „Bärenmarkt“ ab. Dies ist nach rein technischer Definition der Fall, wenn der Markt mehr als 20 Prozent vom letzten Hoch verliert. Die Anlegerstimmung („Sentiment“) folgte auf dem Fuße und war buchstäblich auf einem Tiefpunkt angekommen. Erneut sollte sich die psychologische Analyse bewähren: Ein schlechtes Sentiment ist stets eine konstruktive Voraussetzung für eine baldige Gegenbewegung, sobald positivere Nachrichten eintreffen. Zunächst war es der US-Präsident höchstpersönlich, der (mutmaßlich) zum Kauf von Aktien aufrief:

Seine Nachricht in den sozialen Medien wurde zunächst fassungslos und als reine Durchhalteparole aufgenommen – warum sollte man in einer Phase so großer Unsicherheit und abstürzender Kurse Aktien kaufen? Nur wenige Stunden später folgte des Rätsels Lösung. Trump verkündete, dass alle reziproken Zölle (außer gegen China) zunächst für 90 Tage bis zum 8. Juli 2025 ausgesetzt werden, um Zeit für Verhandlungen zu gewinnen. Die Konsequenz war eine fulminante Kehrtwende an den Märkten. Der S&P 500 konnte den größten Tagesgewinn seit der Finanzkrise 2008 erzielen, der Nasdaq Composite sogar den zweitgrößten Gewinn an einem Tag in seiner Historie.
Aber was führte zu diesem Sinneswandel bei Donald Trump? Seine lapidare Aussage die Leute seien etwas unruhig und ein bisschen ängstlich geworden, dürfte nur die halbe Wahrheit sein. Der Zollkrieger hat offensichtlich seinen Endgegner in diesem „Zollspiel“ gefunden. Es ist der Kapitalmarkt höchstpersönlich, v.a. in Form des mächtigen Anleihenmarktes. Der gleichzeitige Druck fallender Aktienkurse und steigender US-Renditen wurde offenbar zu groß. Robert Armstrong, ein Journalist der Financial Times, hat Trumps Verhalten Anfang Mai mit der „TACO-Theorie“ erklärt. Mit dem mexikanischen Essen hat das Akronym nichts zu tun, sondern vielmehr Trump Always Chickens Out (sinngemäß: Trump verhält sich immer wie ein ängstliches Huhn).
Anfang Mai zeigte sich das Muster im Zollkrieg mit China, wo sich seit April die Zölle und Gegenzölle auf dreistellige Prozentwerte aufgeschaukelt hatten. Überraschend schnell wurde ein vorläufiger Deal mit China geschlossen, der bis zum Halbjahr weiter konkretisiert und vor wenigen Tagen unterschrieben wurde. Die USA sind vor allem stark von „seltenen Erden“ abhängig, die für High-Tech-Produkte, Elektronik und militärische Anwendungen unerlässlich sind. China wiederum dominiert den globalen Markt und kontrolliert je nach Quelle weit über 60 Prozent der Produktion sowie über 80 Prozent der Raffination. Andere Länder wie Australien und die USA haben zwar Vorkommen, können jedoch niemals mit Chinas Produktionskapazitäten konkurrieren.
Auch eine Drohung gegenüber der Europäischen Union die Zölle unmittelbar wieder auf 50 Prozent anzuheben, wurde nach nur einem Wochenende wieder aufgegeben. Kein Wunder, dass die fortschreitenden Drohgebärden fast reaktionslos am Kapitalmarkt zur Kenntnis genommen wurden. Der Gewöhnungseffekt sorgte dafür, dass immer mehr Marktteilnehmer über diese kurzfristigen Störfeuer hinwegsehen, um bloß nicht auf dem falschen Fuß erwischt zu werden.
Im ersten Quartal 2025 war noch eine deutliche Outperformance der europäischen Aktienmärkte und insbesondere des DAX zu beobachten, wohingegen die US-Märkte im Minus notierten. In den Monaten bis zum Halbjahresende hat sich dies wieder umgekehrt. Zwar konnten praktisch alle Standard- und Schwellenländermärkte Gewinne verbuchen, vor allem aber die Vereinigten Staaten zeigten ein erstaunliches Comeback (z.B. Nasdaq Composite mit 18 Prozent Zuwachs in Q2/2025).
Ein tieferer Blick offenbart, dass lediglich einige Unternehmen mit hoher Marktkapitalisierung der Markttreiber seit dem Aprilcrash sind. Zwei Drittel der Titel liefen schlechter als der S&P 500. Die fehlende Breite des Marktes ist ein häufig beobachtetes Phänomen am US-Aktienmarkt. Etwas plakativer: Die „Glorreichen 7“ arbeiten sich nach einigen Monaten Underperformance zurück. Die europäischen Indizes (Euro Stoxx 50 bzw. STOXX Europe 600) konnten in diesem Kontext nicht mehr mithalten und kletterten lediglich etwa vier Prozent im zweiten Quartal, liegen aber im Gesamtjahr wie auch Asien weiterhin vorne.
Die Branchenentwicklungen zeigen ein durchwachsenes Bild. Trotz des Comebacks erleben Tech-Titel wegen der anfänglichen Tal- und anschließenden Bergfahrt ein eher durchschnittliches Jahr. Angeführt wird der Markt von jahrelang verschmähten europäischen Bankaktien und weiteren Finanzwerten wie Versicherungen. Defensive Werte waren im Zuge der Unsicherheit gesucht. So konnten sich Versorger und Telekom-Titel deutlich verbessern. Angesichts der kriegerischen Auseinandersetzung im Nahen Osten und aufziehender Ängste um die Ölversorgung erlebten Energiewerte nur sehr kurzfristig eine hohe Nachfrage und konnten sich im Juni deutlich festigen.
Dass nicht alle defensiven Branchen von der Gemengelage profitierten, zeigten die über viele Jahre beliebten Gesundheitswerte eindrucksvoll (Stichworte: „Corona“, „Abnehmspritzen“). Ihre absolute Entwicklung ist enttäuschend und relativ zum Gesamtmarkt als historisch schwach zu bezeichnen.
Ausgewählte Branchen-Entwicklungen der letzten 5 Jahre (indexierter Verlauf)

Grafik: Banken und Rüstungswerte stellten zuletzt die Entwicklung vieler anderer Branchen in den Schatten.
Quelle: FactSet, 5 Jahre, Stand: 30. Juni 2025, indexiert per 30.06.2020=100
Hinweis: Vergangene Wertentwicklungen sind kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung.
Europäische Konsumartikelhersteller (des nicht-täglichen Bedarfs, also z.B. die Luxusgüterhersteller) stellen das Schlusslicht dar und verloren im laufenden Jahr entgegen dem Markttrend fast zweistellig. Kein Wunder, Verbraucher weltweit müssen in diesen Zeiten den Gürtel enger schnallen. Ähnliches dürfte auch der Hintergrund der unterdurchschnittlichen Entwicklung von Aktien aus dem Reise- und Freizeitsektor oder Autoaktien sein, die zudem von der ganzen Zolldiskussion deutlich tangiert sind.
Eine besondere Erwähnung verdienen Industrietitel, vor allem auch die darin enthaltenen Rüstungswerte. Sie sind seit Monaten der neue Renner am Markt, aber sicherlich kein billiger Geheimtipp mehr unter Anlegern. Aktien der Verteidigungsbranche konnten gleich mehrfach profitieren. Die kriegerischen Handlungen werden wieder häufiger, zudem konnten sich im Russland-/Ukrainekrieg die zwischenzeitlichen Friedensbemühungen seitens der USA im Berichtszeitraum nicht durchsetzen. Zuvorderst stellt die geplante Aufrüstung der NATO bzw. auch insbesondere die Wiederaufrüstung der Bundeswehr ein gigantisches Nachfragepaket für diesen Industriezweig dar. Auch wenn der Beschluss nicht bindend ist, stellt das „5-Prozent-Ziel“ der Mitgliedsländer perspektivisch ein Billionenprogramm für diesen einzelnen Industriezweig dar.
Zinsen und Anleihen
EZB senkt munter weiter, Trump schimpft über „Zu-Spät-Powell“
Im ersten Halbjahr 2025 war der US-Rentenmarkt von erheblichen Schwankungen geprägt. Auch hier sind politische Aspekte von hoher Relevanz, zuvorderst die seit Jahren negative Entwicklung des Staatsdefizits. Donald Trumps aggressive Zollpolitik und expansive Ausgabenpläne versetzen die Märkte wiederholt in Aufruhr. Die von Trump u.a. vorgeschlagenen Steuererleichterungen und eine weitere Anhebung der Schuldenobergrenze, euphemistisch im Gesamtpaket bekannt als das „Big Beautiful Bill“, führten zu Unsicherheiten über die Fiskalpolitik. Die zur Gegenfinanzierung ausgelobten Ersparnisse, die der Trump-Intimus Elon Musk über die „DOGE“-Sparbehörde herbeiführen sollte, dürften in den angestrebten Größenordnungen reines Wunschdenken sein. Insofern rückt die Wichtigkeit neuer Einnahmequellen – wie Zölle – verständlicherweise in den Vordergrund.
Die größte Besorgnis im ersten Halbjahr 2025 war die wachsende US-Verschuldung, die laut Schuldenuhr mittlerweile 37 Billionen US-Dollar beträgt. Moody’s senkte im Mai 2025 als letzte der drei großen Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit der USA von der Höchstnote AAA um eine Stufe auf Aa1. Dies unterstreicht, dass die Fähigkeit der US-Regierung ihre Schulden zu bedienen, zunehmend in Frage gestellt wird. Analysten und Investoren äußerten Bedenken, dass das anhaltend hohe Defizit und die steigenden Zinskosten der hohen Schulden zu einer weiteren Herabstufung führen. Dies würde die Kreditaufnahme der Regierung im nächsten Schritt anhaltend verteuern – ein möglicher Teufelskreis. Letztlich war die wenig überraschende Rating-herabstufung im Mai aber kein bewegendes Ereignis mehr: Bereits Mitte Januar erreichten die US-Renditen (gemessen an 10-jährigen Laufzeiten) ihr bisheriges Jahreshoch bei 4,8 Prozent. Seit März schwanken sie um einen Wert von etwa 4,4 Prozent herum. Im Vergleich zum Jahresanfang ist das Renditeniveau sogar von 4,6 Prozent auf zuletzt 4,2 Prozent gesunken.
Fälligkeiten-Struktur der US-Verschuldung je Kalenderjahr (in Billionen USD)

Grafik: Das US-Finanzministerium hat ein Problem. Der von der Vorgängerregierung geerbte Schuldenberg ist vor allem kurzfristig finanziert. Im laufenden Kalenderjahr müssen über 9 Billionen US-Dollar über den Kapitalmarkt refinanziert werden.
Quelle: Bloomberg, Auswertung per Jahresanfang 2025
In Kontext der äußerst kurzfristigen Finanzierung und Fälligkeiten der US-Schulden ist die Zinspolitik der US-Notenbank Federal Reserve („Fed“) von zentraler Bedeutung. Die Fed hielt den Leitzins seit Dezember 2024 unverändert an der oberen Grenze von bis zu 4,5 Prozent. Dies veranlasste Trump dazu Fed-Chef Jerome Powell mehrfach öffentlich zu kritisieren und zu beschimpfen („Too-late-Powell“ bis hin zu „dumme Person“). In einem handschriftlichen Brief beschuldigte er ihn die USA „ein Vermögen“ zu kosten. Er forderte wiederholt drastische Zinssenkungen von einem ganzen Prozentpunkt. Erwartungsgemäß hat sich die Fed in den letzten Monaten weiterhin nicht zu einer Anpassung der US-Leitzinsen nach unten durchringen können. Powell betonte, dass die Fed abwarten wolle, um die Auswirkungen der Tarifpolitik auf die Inflation zu beobachten, und dass eine vorsichtige Herangehensweise notwendig sei. Fakt ist, dass die Notenbankpolitik in den USA aufgrund des hohen Realzinses (Zins minus Inflation) zu den restriktivsten aller Industrieländer zählt.
Im Kontrast dazu liefern Notenbanken weltweit mehrheitlich und konstant Zinssenkungen. Auch die Europäischen Zentralbank (EZB) drückte in mehreren Schritten die Leitzinsen, um die Wirtschaft im Zuge der rückläufigen Inflation und inmitten wirtschaftlicher Unsicherheiten zu unterstützen. Die EZB-Zinssätze wurden bereits vier Mal im laufenden Jahr nach unten geschraubt, was für den Einlagensatz seit Mitte Juni ein Niveau von glatt zwei Prozent bedeutet. Trump nutzte dies gegenüber Powell mehrfach als Argument. In der Schweiz sind die Zinsen sogar wieder an der Nullmarke angekommen.
Die Entscheidung der neuen Bundesregierung in den kommenden Jahren Milliarden für Rüstungs- und Infrastrukturprojekte auszugeben, markierte einen historischen Wandel in der deutschen Fiskalpolitik, die traditionell von strengen Haushaltsdisziplinen geprägt war. Laut Planung des Finanzministeriums von Lars Klingbeil will Deutschland bis 2029 neue Schulden von fast 850 Milliarden Euro aufnehmen. Zur Einordnung: Das entspricht in etwa der Hälfte der Schulden, die alle Regierungen in 76 Jahren Bundesrepublik Deutschland angehäuft haben. Von den schwindligen Höhen der Vereinigten Staaten ist die deutsche Gesamtverschuldung absolut und in Abhängigkeit zur Wirtschaftsleistung (BIP) jedoch weit entfernt.
Bereits die Ankündigung des Vorhabens führte im ersten Quartal zu einem Anstieg der Renditen deutscher Staatsanleihen, da die Märkte die erhöhte Verschuldung und die damit verbundenen Risiken einpreisten. Die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihen stieg von 2,4 Prozent zu Jahresbeginn auf zwischenzeitlich über 2,9 Prozent. Die anschließende Beruhigung drückte das Niveau zum Halbjahresende dann auf 2,6 Prozent. Die Kombination aus geldpolitischer EZB-Lockerung und expansiver Fiskalpolitik u.a. der Bundesregierung führte zu einer steileren und normalisierten Zinskurve. Investoren berücksichtigen damit die Auswirkungen der erhöhten Staatsausgaben auf Wachstum, Inflation und Staatschulden.
Währungen und Rohstoffe
Dollar so schwach wie seit 1973 nicht mehr – Metalle gesucht
Die Währungsentwicklungen im ersten Halbjahr und seit der Amtseinführung Donald Trumps fielen ungewöhnlich deutlich aus. Der Dollar war die mit weitem Abstand schwächste G10-Währung und wertete zum Euro fast 14 Prozent ab. Mit rund 1,18 Euro pro US-Dollar erreichte er das höchste Niveau seit mehreren Jahren und besiegelte das schwächste Halbjahr seit über 50 Jahren. Natürlich spiegelt die Entwicklung teilweise eine scheinbar normale Gegenbewegung auf die Dollarhausse der letzten Jahre wider. Auslöser und Verstärker dürfte das schwindende Vertrauen in die finanzielle Solidität und politische Verlässlichkeit der Vereinigten Staaten gewesen sein.
Besonders schwach zeigten sich ansonsten der Australische und Kanadische Dollar. Als sogenannte Rohstoffwährungen leiden sie stark an den Handelskonflikten und konnten nicht einmal von den anziehenden Notierungen bei Gold und Öl profitieren, deren Verlauf sie oft ähnlich widerspiegeln. Insofern kann man zusammenfassend von einer Euro-Stärke sprechen. Die Gemeinschaftswährung verlor nur geringfügig zum Schweizer Franken und der Schwedischen Krone.
Spiegelbildlich setzten Edelmetalle (oft als Währungen ohne Fehl und Tadel bezeichnet) den Rekordlauf fort, zumal die globalen Unsicherheiten und Kriege weitere Fluchtbewegungen in Sicherheit auslösten. Gold und Silber können sich etwa um ein Viertel im Wert festigen. In den Schatten gestellt wird diese glänzende Entwicklung nur noch von Platin – allein im zweiten Quartal haussierte es mit rund 36 Prozent und erhöhte den Jahresgewinn auf gut 48 Prozent.
Die schwache Phase des US-Dollars zwischen 2000-2005

Grafik: Der aktuelle Verlauf seit 2024 weist große Ähnlichkeiten mit der Zeit 2000-2005 auf. Seinerzeit hat der Dollar schlussendlich ca. ein Drittel an Wert verloren. Zeichnet sich die Parallele fort, würde die größere Abwärtsbewegung erst 2026 einsetzen. Demnach stünde im 2. Halbjahr 2025 noch eine moderate Erholung des US-Dollars an.
Quelle: FactSet, Zeitraum: April 2000 bis April 2005
Bei Industriemetallen ergibt sich ein durchwachsenes Bild: Das für die Energiewende sowie für die Technologiebranche wichtige Kupfer bleibt trotz Handelskrieg aufgrund wachsender Angebotsdefizite gefragt. Es notiert etwa 15 Prozent teurer als zu Jahresbeginn. Dass die Zollpolitik selbst hier zu Verzerrungen führt, kann man an den Terminmärkten beobachten: an der US-Terminbörse Comex stieg der Kupferpreis um 27 Prozent aufgrund nachfragebedingter „Vorzieheffekte“ aus Angst vor Kupferzöllen.
Die Preise für Energierohstoffe standen per Saldo unter Druck. Die Nordsee-Sorte Brent verbilligte sich um gut zehn Prozent – im Anfangsquartal 2025 notierte es noch unverändert. Im Nachgang des „Liberation Days“ preisten die Märkte eine Verlangsamung des Welthandels ein, was stets umgehende Auswirkungen auf den Schmierstoff der Weltwirtschaft hat. Die Eskalation zwischen Israel und dem Iran führte rückblickend nur zu einer kurzlebigen Befestigung der Energiepreise mit dem Höhepunkt um die Diskussionen einer möglichen Schließung der Straße von Hormus. Zwischenzeitlich fokussieren sich die Märkte auf weitere Produktionserhöhungen der OPEC Plus, die das Preisgefüge drücken dürften.
Perspektiven 2025
MAGA- oder MEGA-Halbjahr voraus? Es geht nicht nur um Zölle!
Die jüngsten Fortschritte in den Handelsgesprächen vor allem zwischen den USA und China haben die globalen Märkte beflügelt. Der 9. Juli als Ende der Zollpause rückt immer näher und die Märkte zeigen sich erstaunlich gelassen angesichts der Tatsache, dass nur sehr wenige Zollabkommen (u.a. Großbritannien, China, Vietnam) unter Dach und Fach sind. Sicherlich laufen hinter verschlossenen Türen kniffelige Verhandlungen, aber von den berühmten „Deals“ scheint man weit entfernt zu sein. Es verwundert keinesfalls, wenn Trump in seiner typischen Art bei einzelnen Ländern die Geduld verlieren und wieder an der Zollschraube drehen wird. Gerade die EU hat nicht all zu viel an Verhandlungsmasse entgegenzusetzen. Unsere Märkte könnten als Reaktion nochmals empfindlich reagieren. Auch die geopolitischen Unsicherheiten allgemein sind nach wie vor groß. Man muss annehmen, dass der nur aufgeschobene Nahost-Konflikt bzw. Iran-Atomstreit immer wieder in den kommenden Jahren auflodern wird. Es scheint jedoch, als gewöhnen sich Investoren an diese neue Normalität und blicken durch die schlechten Narrative hindurch. Mit anderen Worten: natürlich gibt es immer einen Grund nicht zu investieren. Aber genau dann erscheinen in der Regel die besten Gelegenheiten.
Aktuelle Wirtschaftsdaten sind von einem Nebel der Unsicherheit umgeben. Zum einen, weil sie in vielen Fällen auf stimmungsgetriebenen Umfragen basieren, die vermutlich ein nach unten überzeichnetes Bild abgeben. Zum anderen, weil die „harten Fakten“ teilweise von Vorzieheffekten und anderen Verzerrungen überlagert sind, die noch auf den „Liberation Day“ zurückzuführen sind.
Um die kommenden Monate seriös zu beleuchten, muss man für eine Prognose tief in die „Trickkiste“ diverser Frühindikatoren greifen. Dabei trifft man trotz der Widrigkeiten auf ermutigende Signale, u.a. durch die geldpolitischen Impulse weltweit. Zwar ist anzunehmen, dass der Zinssenkungszyklus vieler Notenbanken bereits kurz vor dem Ende steht und den berühmten „neutralen Zins“ erreicht haben dürfte. Der Effekt spürbar gesunkener Finanzierungskosten sollte aber mit dem typischen Zeitverzug sukzessive in der Realwirtschaft ankommen.
Die Inflationsdaten erfahren nun keinen Rückenwind mehr durch günstige Basiseffekte im Vergleich zum Vorjahr. Die Inflationsrate ist im Euroraum wie erwartet im Juni leicht gestiegen. Sie bleibt mit zwei Prozent exakt im Ziel der EZB. Die Kernrate ist mit 2,3 Prozent jedoch leicht erhöht, insbesondere der Abwärtstrend bei der Teuerung von Dienstleistungen hat sich nicht weiter bestätigt. Die nachlassende Lohndynamik der Eurozone spricht zwar für eine Abschwächung des Inflationsdrucks, jedoch verbleiben die bekannten Risiken überwiegend aus dem Zollstreit. Die EZB dürfte daher im laufenden Jahr maximal noch einen Zinsschritt gehen. In den USA wiederum haben die Senkungen bekanntlich gar nicht richtig eingesetzt. Es könnte die Ironie des Schicksals sein, dass die hartnäckige Haltung der Fed zur selbsterfüllenden Prophezeiung wird und das restriktive Niveau im Zuge einer abgewürgten Wirtschaft bzw. eines deutlich verschlechterten Arbeitsmarkts aufgegeben werden muss. Trump hätte dann die Bestätigung, dass die Fed – wie historisch oft zu beobachten – notorisch spät mit ihren Entscheidungen ist.
Unser Basisszenario bleibt bestehen, dass die Weltwirtschaft zwar unterdurchschnittlich, aber aus Sicht des Kapitalmarkts „brauchbar“ wachsen wird. Der Internationale Währungsfonds IWF schätzt im Rahmen seines April-Updates den Anstieg des globalen BIP auf 2,8 Prozent im laufenden Jahr und 3 Prozent im kommenden Jahr. Regional gleicht sich das Wachstum dabei etwas an. Die Ausnahmestellung der USA, die in Teilen auf die massive Befeuerung durch exzessive Schuldenaufnahme zurückzuführen ist, sollte sich deutlich normalisieren. Auch in Asien kommt das hohe Wachstum etwas zurück.
US-Wachstumszahlen von 1-2 Prozent erscheinen für die Zukunft realistisch. Der Gefahr einer Rezession in den USA darf man sich noch nicht vollständig verschließen. Einige warnende Indikatoren u.a. aus dem für die stark konsumlastige US-Volkswirtschaft wichtigen Arbeitsmarkt deuten in diese Richtung. Inwieweit die MAGA-Bemühungen Trumps („Make America Great Again“) zur Reindustrialisierung langfristig positive Impulse setzen, kann heute noch nicht beurteilt werden.
Das Argument verbesserten Wachstums durch Schuldenaufnahme gilt selbstverständlich auch für die Eurozone, v.a. für Deutschland. Bereits in den vergangenen Jahren haben uns die Südländer durch eine expansivere Fiskalpolitik und den boomenden Tourismus- und Dienstleistungsbereich abgehängt. Ökonomen stellen sich die wesentliche Frage, ob es mit dem deutschen Fiskalpaket gelingen kann einen nachhaltigen Aufschwung zu etablieren oder ob Ausgaben mit Schwerpunkt Infrastruktur und Aufrüstung lediglich ein Strohfeuer entfachen werden.
Was bedeutet dies für Anleger?
Nach dem Albtraum der Finanzkrise 2008 hatten alle US-Vermögenswerte (Aktien, Anleihen, Immobilien, der US-Dollar…) eine 15-jährige Traumzeit. Jetzt sind die Bewertungen von US-Vermögenswerten aber im Traumland angekommen. Sie sind auf Perfektion bewertet. Der Rest der Welt (Europa, Japan, Schwellenländer) hingegen war im Tiefschlaf und beginnt gerade aufzuwachen. Hier sind die Bewertungen vernünftig bis günstig. Das sagt viel über die Risiko-Rendite-Landschaft der kommenden Jahre. Die globale Umschichtung von Geldern scheint bereits im vollen Gange.
„Gewinnrendite“ des STOXX Europe 600 sowie 3-Monats-Rendite (Euribor)

Grafik: Die sogenannte „Gewinnrendite“ des europäischen Aktienmarkts liegt mit fast 7% immer noch auf attraktivem Niveau und deutlich oberhalb der Verzinsung kurzfristiger Anlagen. Da die Gewinnrendite in den USA (ohne Abb.) lediglich bei ca. 4,5% liegt, ist auch die relative Attraktivität Europas auf gutem Niveau gegeben. Dies erklärt auch die zunehmenden Umschichtungen internationaler Anleger.
Quelle: FactSet, Stand: 30. Juni 2025
Hinweis: Vergangene Wertentwicklungen sind kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung.
Wird das kommende Halbjahr also weiterhin MEGA („Make Europe Great Again“) und kann sich die deutliche Outperformance unseres Kontinents weiter fortsetzen? Es dürfte ein Fehler sein jetzt alles auf die Europa-Karte zu setzen. Vielmehr kommt es weiterhin auf eine gute Diversifikation sowie sinnvolle Auswahl und Zusammenstellung der Branchen und Titel je Region an. Wir gewichten die USA aktuell „neutral“ mit der Tendenz bei bestimmten Branchen v.a. zur Reduzierung des Währungsrisikos zukünftig Europa den Vorzug zu geben.
Die 500 größten Börsenunternehmen in den USA haben im abgelaufenen Geschäftsjahr so hohe Gewinne eingefahren wie nie zuvor. Nach wie vor haben viele Industriezweige vor allem mit Technologie-Touch ein sehr hohes Wachstum und eine marktführende Stellung aufzuweisen. Der Ausrüstungsboom und die Umsetzung von Künstlicher Intelligenz (KI) dürfte immer noch am Anfang stehen und sich fortsetzen. Für den Gesamtmarkt prognostizieren Analysten für die Kalenderjahre 2025 und 2026 im Schnitt einen Gewinnzuwachs von etwa 12 Prozent für die technologielastige USA, aber mit etwa 6 Prozent lediglich die Hälfte für Europa. Chancen eröffnen sich in Europa vor allem in der Reihe der Nebenwerte, die in den letzten Jahren deutlich zu kurz bei Anlegern gekommen sind. Einige kleine Marktführer und „Hidden Champions“ haben oft auch zweistelliges Gewinnwachstum bei tiefen Bewertungen.
Leider schaden die aktuellen Turbulenzen den Zahlen der europäischen Unternehmen, nämlich auf dem Umweg über den festen Euro. Je mehr er gewinnt, desto teurer werden unsere Waren und Dienstleistungen im Ausland. Zudem verringern sich die Erträge in der Bilanz, sobald die Firmen ihre im Dollar-Raum erzielten Gewinne in Euro umrechnen. Selbst wenn man unterstellt, dass maue Dollartrend mittelfristig anhaltend dürfte, so scheint der Greenback im zweiten Halbjahr reif für eine Gegenbewegung zu sein. Stimmung, Positionierung und Markttechnik sind mittlerweile als einseitig zu bezeichnen.
Im Anleihensegment gehen wir mit angemessener Vorsicht vor. Man sollte sich nicht zu stark durch die Zinssenkungen der Notenbanken am kurzen Ende der Zinsstruktur beeindrucken lassen. Die jüngsten Schuldenexzesse sowie die sich möglicherweise verbessernden Konjunkturaussichten laden nicht zu einer offensiven Laufzeitsteuerung ein. Die längerfristigen Renditen befinden sich bei genauerer Betrachtung noch im Aufwärtstrend. Gleichzeitig lässt die Lücke zum nominellen Wachstumstrend des Euro-BIP befürchten, dass die Renditen bei Staatsanleihen eher weiter steigen könnten. Pfandbriefe und ähnliche gedeckte Anleihen können ein sinnvoller Ersatz für Öffentliche Papiere sein. Vor allem aber ausgesuchte Unternehmensanleihen mit überschaubaren, eher mittleren Laufzeiten stellen nach wie vor den sinnvollen Schwerpunkt unseres Vorgehens dar.
Fazit: Im laufenden Jahr werden trotz aller Unsicherheiten wichtige Impulse für die Zukunft gesetzt, die langfristige Auswirkungen haben. Viele Anleger trauen kurzfristig dem Braten noch nicht. Insofern gibt es keinen gefährlichen Überoptimismus. Die Markttechnik am Aktienmarkt seit dem Crash nach dem „Liberation Day“ weiß über Marktbreite und Momentum zu überzeugen, ebenso die günstige Bewertung vieler Länder und Regionen außerhalb der USA.
Vieler Investoren dürften ihre Portfolien anhaltend von den USA unabhängiger ausrichten. Dieser Trend hat 2025 erst begonnen. MAGA oder MEGA – völlig egal, bei richtiger Streuung und Auswahl kann man beides für sich arbeiten lassen. Wir bleiben bei unserer konstruktiven Sicht auf die kommenden Monate, selbst wenn es weiterhin holprig und wenig geradlinig sein dürfte.